Kennt Ihr Albert Bierstadt? Diesen deutschstämmigen, amerikanischen Maler habe ich erst kürzlich entdeckt. Sein Werk „Felsige Gebirgslandschaft“ hat es mir wirklich angetan. Auf den ersten Blick schon wirkt es hochdramatisch. Der 1830 in Solingen geborene und 1902 in New York gestorbene Maler zählt nicht zu den Realisten: Seine Natur ist in romantischer Art überhöht, fast verklärt.
Mein erworbener Druck zeigt euch das auf den ersten Blick. Ihr seht ein Leuchten und Strahlen an verschiedenen Stellen in diesem Meisterwerk. Am Ufer eines Gebirgssees steht eine Gruppe von herbstlich verfärbten Bäumen. Diese Gruppe ist von der Sonne beschienen und kann in einer Diagonale Richtung Himmel mit einem weiß verschneiten Gebirgsgipfel gesehen werden. Der majestätische Berg liegt in gleißendem Sonnenlicht. Umrahmt wird er von einer Gruppe aus Wolken, die von rechts und unten nach oben drängen.
Die Haupt-Blickachse ist ein Felsberg, der etwas rechts von der Mitte hinter dem kleinen Gebirgssee Richtung Himmel aufragt. Er ist umrahmt von weißen Wolken mit vielen Zacken. Wenn du vor diesem Druck stehst, bleibt dir fast der Atem stehen: So gewaltig und überirdisch schön präsentiert sich diese Gebirgslandschaft!
Korrespondierend zu diesem Himmels- und Gebirgs-Geschehen ist der mächtige Wasserfall, der auf der linken Bildseite in die Tiefe rauscht. Man glaubt, das Wasser zu hören, wenn man Bierstadts Gemälde betrachtet. Diese Natur ist aus sich selbst heraus ein Spektakel. Ständig in Veränderung, faszinierend schön, in sich stimmig.
Ich finde bemerkenswert, wie der Maler den See gestaltet. In meinen Augen hat Bierstadt diesen bewusst als ruhiges, glattes Gewässer gemalt. Keine Welle, nichts Unruhiges stört diesen Wasserspiegel, auf dem du die Farben von Himmel und Gebirge wiederfindest. Sanftes Grün, zartes Rosa, vitales Gelb spiegeln sich auf der Wasseroberfläche. Die ganze Natur-Dramatik hat sich in herrliche Farben aufgelöst, ist darin zu einer harmonischen Einheit geworden.
Menschen sind in dieser sich selbst genügenden Natur nicht zu finden. Aber Tiere! Noch im Dunkel des vorderen und unteren Drittels, aber schon am Ufer und damit an der Grenze zur ausgeleuchteten Szenerie, entdeckst du einen Hirsch, ein Reh und etwas dahinter ein Rehkitz. Alle drei zeigen dem Betrachter die Seite, beziehungsweise den Rücken. Der Blick dieser Tiere richtet sich in die Ferne Richtung Baumgruppe. Auch sie scheinen in vollkommener Harmonie als Tier-Familie in die Natur integriert.
Hell- und Dunkelkontraste sind in diesem Werk sehr ausgeprägt. Der Künstler unterteilt die Leinwand in Zweidrittel und Eindrittel: Die obere Bildfläche ist ausgeleuchtet und bestimmt das Bildgeschehen. Das untere Drittel hingegen liegt im Schatten. Farblich setzt Bierstadt auf dunkles Grün, das durch herbstlich verfärbtes Laub und Wiesenblumen zahlreiche Akzente erhält. Außerdem entdeckst du große Gesteinsbrocken, die wahllos in der Landschaft liegen und den Charakter der Ehrfurcht einflößenden Landschaft unterstreichen.
Der Blick des Betrachters wird magisch in die Ferne gezogen. Hier bündelt sich an vielen Stellen Licht, das etwas Überirdisches an sich hat. Dieser Eindruck wird durch die umrahmenden Steilwände auf der linken und rechten Leinwandseite zusätzlich unterstrichen.
Interessant zu wissen: Der amerikanische Maler hat in Deutschland an der Düsseldorfer Akademie Malerei studiert. Er wollte auch maltechnisch seine europäischen Wurzeln kennenlernen.
Dieses Gemälde zeigt einen Ausschnitt der Rocky Mountains. Es erinnert mich an Reisen in die amerikanischen Nationalparks, die mich immer wieder zum Staunen bringen. Dieses Bild schaffte es zu einiger Berühmtheit. Königin Victoria bekam es 1867 zu Gesicht. Außerdem wurde es in Berlin in der Königlichen Akademie der Künste gezeigt.
Ich habe lange überlegt, an welcher Wand mein Druck am besten zur Geltung kommt. Dann habe ich mich für den Essbereich entschieden. Warum? Mit seiner Dramatik schärft dieses Bild immer wieder alle meine Sinne. Gleichzeitig entspannen mich die wundervollen Farben, die Harmonie der Natur und die einzigartigen Formationen!
Es hängt derzeit übrigens genau gegenüber von "Vesuv in Eruption" :). Macht sich in Kombination ziemlich gut!
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